Fritz Egner wird 75: „Die Gefahr steigt, dass Musikradio nur noch im Netz stattfindet“

Das Jahr 2024 beschert Fritz Egner gleich drei gute Gründe auf besondere Ereignisse anzustoßen. Am kommenden Samstag, 3. August, feiert das Radio-Urgestein 75. Geburtstag, vor genau 50 Jahren begann seine Karriere als Moderator und Ende Juni veröffentlichte der gebürtige Münchner ein neues Quizspiel.

Fritz Egner 2013 im Studio beim BAYERN 3-Kultabend (Bild: © BR Ralf Wilschewski)
Fritz Egner 2013 im Studio beim BAYERN 3-Kultabend (Bild: © BR Ralf Wilschewski)

Rückblende in die 1980er-Jahre: in der Musikszene befeuern unzählige Talente die Umsätze mit neuen Sounds und genererationsübergreifenden Hits für die Ewigkeit. Die Geschäfte der Branche laufen bestens, die Strukturen der Plattenmultis professionalisieren sich, Musikfernsehen wird der neue angesagte Player im Medienmarkt. 

Und das Radio? Muss sich in Deutschland wegen der Einführung einer privaten Sendelandschaft einmal mehr neu erfinden – allen voran die etwas in die Jahre gekommenen öffentlich-rechtlichen Servicewellen. Was gelegentlich zu panischen Reaktionen und einem Wettbewerb an der Überbietung von Peinlichkeiten führte. 

Damals galt der „Job beim Radio“ bei jungen Menschen noch als echte berufliche Chance. Kluge Programmverantwortliche fanden unter der Flut von Bewerbern die verborgenen Talente und ließen den Kräften – ohne zu eng gefasster Leitplanken – ihren Lauf. Zum Beispiel bei BAYERN 3, wo ein junges Team junger Wilder bald für Furore sorgte. Wie etwa Thomas Gottschalk, als Spezialist für flotte Sprüche, oder Günther Jauch, der auch komplizierte „Wortthemen“ so leicht verständlich präsentieren konnte.

Fritz Egner vor dem BAYERN 3-Logo (Bild: © BR Markus Konvalin)
Fritz Egner vor dem BAYERN 3-Logo (Bild: © BR Markus Konvalin)

In diesem Dunstkreis war Fritz Egner einer der beliebtesten Musikexperten beim Sender. Sein Wort hatte Gewicht. Eine „Hitnase“, die mit dem umfassenden Wissen um die Musikszene immer wieder neue Stars und Bands von morgen entdeckte. Egner‘s Empfehlungen galten unter der Hörerschaft als Kaufbefehle – oder zumindest das Signal für eine Aufzeichnung auf dem Kassettenrekorder.      

Alles begann in den 1970er-Jahren, als Fritz Egner zunächst als Toningenieur beim AFN am Sender München begann. Eine verdammt gute Schule, die sein späteres Wirken beim Hörfunk nachhaltig sozialisierte. Beim Militärsender wurde Egner 1974 dann auch als Moderator entdeckt, als kurzfristig ein Kollege ausfiel. 1979 wechselte er zu BAYERN 3.

Fritz Egner 1990 bei einer Dingsda-Produktion im Kindergarten Raab in Oberösterreich (Bild: © BR / Foto Sessner)
Fritz Egner 1990 bei einer Dingsda-Produktion im Kindergarten Raab in Oberösterreich (Bild: © BR / Foto Sessner)

Ab 1985 moderierte Fritz Egner auch im Fernsehen diverse Unterhaltungssendungen wie „Dingsda“ oder Musikshows wie den „Eurovision Song Contest“. „Seinem“ Heimatsender BAYERN 3 hat Egner als Moderator und Programmgestalter bis 2015 die Treue gehalten. Seit 15. Januar 2016 moderiert er Freitagabends nun seine Sendung „Fritz & Hits – die größten Künstler der Musikgeschichte“ auf BAYERN 1.

Im RADIOSZENE-Interview spricht Fritz Egner unter anderem über seine lange Zeit beim Radio, die gewandelte Musiklandschaft sowie sein neues Quizspiel.


„Die Zeit bei AFN war eine unbezahlbare Lehrzeit in Sachen modernes Musikradio“

RADIOSZENE: In diesem Jahr feiern Sie Ihr 50-jähriges Jubiläum als Radiomoderator. Begonnen haben Sie 1974 beim AFN. Wie sehr hat Sie damals die Zeit bei einem Militärsender geprägt?

Fritz Egner: Außerordentlich und nachhaltig. Schon als Hörer hat mich die amerikanische Präsentationsform beeindruckt und mitgerissen. Im Vergleich dazu war das deutsche Radio behäbig und angestaubt. Dass ich selbst mal bei diesem Sender eine Rolle spielen würde, kam nicht mal in meinen Träumen vor. 1974 bewarb ich mich als Studiotechniker und hatte nun die Möglichkeit, amerikanischen Radiostars, die in die U.S. Army eingetreten waren, über die Schulter zu schauen. Diese für deutsche Radio-DJs noch fremde Präsentationsform, die nicht aus verbindenden Worten zwischen Musik bestand, sondern einen „Flow“ hatte, bei der der DJ wie ein Jockey auf seinem Pferd durch die Show reitet. Die Zeit bei AFN war eine unbezahlbare Lehrzeit in Sachen modernes Musikradio. Allein die Tatsache, dass ich dann auch immer wieder am Mikrofon war, war ein Zeugnis, das mir dann jede Bewerbung bei anderen Medien ersparte. Meine Generation hörte schließlich diesen Sender, wo immer er zu empfangen war.

Fritz Egner mit dem BAYERN 1-Logo (Bild: © BR / Markus Konvalin)
Fritz Egner mit dem BAYERN 1-Logo (Bild: © BR / Markus Konvalin)

RADIOSZENE: Seit 1979 sind Sie beim Bayerischen Rundfunk tätig. Eine Langzeitbeziehung die, sieht man von den Ausflügen zum Fernsehen ab, bis heute gehalten hat. Bei BAYERN 1 präsentieren Sie seit 2016 die Sendung „Fritz und Hits“. Welche Musik und Inhalte sind dort zu hören?

Fritz Egner: Ich habe da eine große Bandbreite. Der Spagat reicht von Country bis Jazz, von Pop über Rock zu Funk und Soul. Dazu Anekdoten, historische Zusammenhänge, Interviewausschnitte aus meinem persönlichen Archiv.

RADIOSZENE: Sie haben Ende Juni ein eigenes Musik-Quiz-Spiel auf den Markt gebracht. Inwieweit unterscheidet sich Ihr Spiel von der Vielzahl alternativ verfügbarer Angebote?

Fritz Egner: Der größte Unterschied ist natürlich, dass in „Quiz mit Fritz“ mein persönliches Archiv enthalten ist, das ich in 50 Jahren aufgebaut habe. Man kann sich über 300 Original-Interviews mit den Stars, die ich getroffen habe, anhören – diese Ausschnitte allein haben eine Spielzeit von über fünf Stunden.

Little Richard und Fritz Egner (Bild: © BR / Fritz Egner privat)
Little Richard und Fritz Egner (Bild: © BR / Fritz Egner privat)

Außerdem kann man sich über 300 zeitgeschichtliche Dokumente anschauen, darunter Fotos, persönliche Widmungen und seltene Eintrittskarten.

RADIOSZENE: Welche musik-historische Epochen und welche Genres decken die Fragen nach Stars und Hits ab? Wie viele Fragen haben Sie sich ausgedacht?

Fritz Egner: Insgesamt hat das Game in der ersten Auflage 2.200 Fragen zu bieten. Dabei decken wir von James Brown und den Beatles bis Ariana Grande und Justin Bieber alle Epochen und Genres ab. Und wir werden regelmäßig über kostenlose Updates Fragen zu den jeweils aktuellen Stars und Hits nachliefern.

RADIOSZENE: Für den Sieger haben Sie sich eine besondere Belohnung ausgedacht …

Fritz Egner: Ja, wer sich in den Online-Rankings besonders hervortut, darf sich auf tolle Preise freuen, die wir gemeinsam mit Partnern aus der Musikindustrie anbieten wollen.

RADIOSZENE: Sie sind über viele Jahre Zeitzeuge unterschiedlicher Entwicklungen im Radio. An welche Zeit Ihres Schaffens denken Sie besonders gerne zurück? Gibt es so etwas wie den prägendsten Moment Ihrer Radiokarriere?

Fritz Egner: Das war mein Einstieg in den BR. Als ich von AFN zu BAYERN 3 wechselte und im Januar 1979 meine erste Show präsentierte, war das eine bedeutende Zäsur. Thomas Gottschalk, Jürgen Herrmann und wenige Andere hatten jeweils eine Sendeinsel, umgeben von „Althergebrachtem“.

Thomas Gottschalk und Fritz Egner bei der BR-Radltour 2019 (Bild: © BR / Markus Konvalin)
Thomas Gottschalk und Fritz Egner bei der BR-Radltour 2019 (Bild: © BR / Markus Konvalin)

Gleichzeitig nahm ich eine Position beim Musikverlag der Warner Bros Mediengruppe an. Ein weiterer Glücksgriff, denn durch diese Arbeit bekam ich Einsicht hinter die Vorgänge des Music Business. Das waren zwei sehr prägende Entscheidungen, die mich bis heute tragen.

„Die Art wie Musik [heute] produziert wird, führt in vielen Fällen zu Gleichförmigkeit und emotionaler Verkümmerung“

RADIOSZENE: Die Musik reduziert sich bei der überwiegenden Zahl deutscher Programme als reine Soundtapete – ohne kuratierte und moderierte Begleitung. Ignoriert man hier das Interesse vieler Hörer an einer kompetenten Berichterstattung zur Musik? Oder liegt dies vielleicht auch an der Musikwirtschaft, die in Zeiten von Streaming ihre Geschäftsmodelle zuletzt radikal verändert hat?

Fritz Egner: Letzteres ist sicher einer der Hauptgründe. Es geht um Gewinnmaximierung. Das betrifft das Showgeschäft generell und war schon immer vorrangig. Die technischen Möglichkeiten haben das nun dynamisiert. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Art, wie Musik konsumiert wird. Auch wie sie produziert wird. Das führt in vielen Fällen zu Gleichförmigkeit und emotionaler Verkümmerung.

Barry White mit Fritz Egner (Bild: © BR / Fritz Egner privat)
Barry White mit Fritz Egner (Bild: © BR / Fritz Egner privat)

Aber haben sich mal die Hörgewohnheiten darauf entsprechend eingeschliffen, ist das Rad nicht mehr zurückzudrehen. Das wäre die Chance für das traditionelle Radio, sich abzuheben und damit ein wirkliches Begleit- und Informationsmedium zu bleiben. Dazu braucht es allerdings auf Entscheider-Ebene Fachkräfte und Enthusiasten. Bei „Fritz und Hits“ kann ich Individualität und emotionale Tiefe bieten.

RADIOSZENE: Was macht das Radio heute gut, was vermissen Sie, was erwarten Sie in Zukunft vom Medium?

Fritz Egner: Die Zukunft wird noch enger formatierte Programme anbieten. Die Gefahr steigt, dass Musikradio nur noch im Netz stattfindet und sich kaum noch von Streamingdiensten unterscheidet. Für interessierte Hörerinnen und Hörer wird es immer schwieriger, Hintergrundinformationen und Interviews zu bekommen. Musikerinnen und Musiker werden, wie schon jetzt, von KI und Ähnlichem verdrängt. Emotionale Tiefe findet man bestenfalls bei Livekonzerten, die aber auch mehr und mehr mit technischen Mitteln und Autotune den Hörgewohnheiten gerecht werden sollen. Klingt bitter, aber man bedenke, wie es war, bevor Verstärkeranlagen und Pyrotechnik zu tragenden Elementen bei Liveshows wurden. Ich habe in den 1960er-Jahren die Beatles, die Stones und Ray Charles live erlebt. Mit den Mitteln der damaligen Technik könnten die heute nur noch als „Kleinunterhalter“ auftreten.

 

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