DAB+ Regio in NRW – Wer sind die Bewerber?

Gespannt warten Hörfunkanbieter auf die Bekanntgabe der Bewerberliste für DAB+ Multiplexe in Nordrhein-Westfalen. Bis zu 16 Millionen Einwohner könnten nach Netzausbau erreicht werden. 63 Tage hatten Bewerber Zeit, um ihr Konzept und einen möglichen Förderantrag bei der Medienanstalt NRW einzureichen. Am Donnerstag (27.6.) endete Punkt 12 Uhr die Bewerbungsfrist für bis zu 80 freien Plätze.

DAB+ in NRW, Fernsehturm Düsseldorf (Bild: © Marek Schirmer)
DAB+ in NRW, Fernsehturm Düsseldorf (Bild: © Marek Schirmer)

Ihre Teilnahme an der Ausschreibung bestätigen audio media service (AMS) aus Bielefeld, Media Broadcast aus Köln und UPLINK Network aus Düsseldorf. Media Broadcast und UPLINK bewarben sich als Plattformbetreiber für fünf Regionalnetze, AMS für Ostwestfalen-Lippe. Die Medienkommission der Landesanstalt für Medien NRW wird entscheiden, ob die Übertragungskapazitäten komplett an einen oder mehrere Plattformbetreiber vergeben werden oder die Kommission selbst entscheiden muss, welche Programme in die Multiplexe einziehen werden. Übersteigt die Anzahl der Bewerber die Anzahl der freien Plätze, müsste die Kommission selbst entscheiden.

Ein starkes Interesse bestätigte RADIOSZENE Michael Radomski, Geschäftsführer von UPLINK Network. Das Düsseldorfer Unternehmen betreibt schon das UKW-Sendernetz für einen großen Teil der NRW-Lokalradios, deshalb erreichten ihn viele Anfrage aus dem eignen Kundenstamm. Die AMS kaufte im Jahr 2017 UKW-Antennen der ostwestfälischen Lokalradios von Media Broadcast. „Als Anbieter aus dieser Region möchten wir neben dem Betrieb von 21 UKW-Sendeanlagen auch in die technische Infrastruktur für DABplus in OWL investieren – aber nicht darüber hinaus,“ bestätigte Uwe Wollgramm, Geschäftsführer der AMS. Im Bereich OWL betreut AMS auch Sendeanlagen anderer Anbieter.

Alle Plattformbetreiber hüllen sich in Schweigen, was den Stand der Kundengespräche angeht und ob sie noch eine As im Ärmel haben – einen Programmanbieter, der sich nicht selbst beworben hat aber Interesse bekundet. Vor der Zuweisung durch die Medienkommission dürfte wenig an die Öffentlichkeit durchsickern. Eine Bewerbung kann wieder zurückgezogen werden, deshalb ist Stand heute nicht klar, ob für alle freien Programmplätze Nachfrage besteht. Anfang Mai 2023 wurde während der Medienkommissionssitzung der Bedarf an freien Platzen den Mitgliedern vorgestellt. Sieben Anbieter sollen damals an der landesweiten Verbreitung in NRW interessiert gewesen sein. bigFM startete im September 2023 und STAR FM MAXIMUM ROCK im März 2024 im landesweiten DAB+ Multiplex in NRW. 

Liste der Bewerber für DAB+ Regio in NRW

(Liste nicht vollständig, wird laufend aktualisiert)

Westfunk

westfunke mediaDie Lokalradios der Westfunk – der Hörfunkgesellschaft der Essener Funke Mediengruppe – bestätigten gegenüber RADIOSZENE ihre Bewerbung für DAB+ Regio. Die Westfunk vermarktet Lokalradios im Ruhrgebiet und Südwestfalen u.a. Radio Duisburg, Radio Essen und Radio Sauerland. Die Servicegesellschaften unterstützten die Bewerbung der Veranstaltergemeinschaften, die Zulassungsträger im nordrhein-westfälischen Zwei-Säulen-Modell sind.

PFD Pressefunk

Die Vermarktung und den Service in der Hauptstadtregion Düsseldorf, am Niederrhein und Teilen des Bergischen Landes übernimmt die PFD Pressefunk – die Hörfunkgesellschaft der Rheinische Post Mediengruppe. Auch ihre Lokalradios zu denen u.a. Radio Wuppertal, Antenne Düsseldorf und Radio 90,1 in Mönchengladbach gehören, haben sich um DAB+ Plätze beworben.

audio media service (AMS)

ams Logo SMALLAMS ist die Servicegesellschaft von sechs Lokalradios in Ostwestfalen-Lippe und einem im Münsterland. Alle Lokalradios haben sich um einen Platz im DAB+ Multiplex beworben. Radio WAF aus Warendorf müsste eigentlich in den Multiplex im Münsterland einziehen. Die Region wurde von der Medienanstalt NRW nicht ausgeschrieben, weil die Staatskanzlei NRW von der Bundesnetzagentur (BnetzA) fünf Jahren nach Beantragung für diese Region immer noch keine Frequenz erhalten hat. Radio WAF wird deshalb zunächst über den Multiplex in Ostwestfalen-Lippe ausgestrahlt. „Sobald das Allotment Münsterland bereitsteht, möchte Radio WAF in den Multiplex Münsterland wechseln,“ schreibt Uwe Wollgramm, Geschäftsführer der AMS.

Rheinland Kombi Köln

Rheinland-Kombi-NRW-Sender (Bild: © RADIO NRW)

Die sieben Radiosender der Rheinland Kombi Köln haben sich auf DAB+ in der Region Köln/Bonn/Aachen beworben, bestätigte RADIOSZENE eine Sprecherin der Kölner Stadt-Anzeiger Medien.

AUDIOSERVICE plus

Mitten in NRW senden die drei Lokalradios Radio MK, Radio Lippewelle Hamm und Hellweg Radio. Lars Gerdau, Geschäftsführer der AUDIOSERVICE plus bestätigte ihre Bewerbung für den Multiplex Südwestfalen/Dortmund.

audiowest media

audiowest media GmbH

Im Herzen NRWs sendet Radio 91,2 für die bevölkerungsreichste Stadt des Ruhrgebiets und Westfalens Dortmund. Auch die Lokalradios aus den angrenzenden Kreisen Recklinghausen und Unna streben eine DAB+ Ausstrahlung an, bestätigte Markus Heuser, Geschäftsführer der audiowest media, die zum Medienhaus Lensing Media gehört. Antenne Unna und Radio 91,2 bewerben sich um Plätze im Multiplex für Südwestfalen. Radio Vest ist eigentlich dem Multiplex Münsterland zugeordnet, da dieser bisher nicht ausgeschrieben wurde, wird die Ausstrahlung in dem Multiplex Südwestfalen/Dortmund angestrebt, alternativ Niederrhein/Duisburg/Essen, wenn in Multiplex Südwestfalen/Dortmund keine Kapazitäten frei sein sollten. Sobald ein Kanal für das Münsterland verfügbar ist, strebt Radio Vest einen Wechsel dorthin an.

Insgesamt 40 NRW-Lokalradios bewerben sich

Logo des VLR NRW. Quelle: vlr-nrw.de„Die DAB-Bewerbungen sehen wir als Investitionen in die Zukunft der NRW-Lokalradios,“ betont Uwe Peltzer, Geschäftsführer von zehn Lokalradios im Rheinland und Vorsitzender des Verbandes der Betriebsgesellschaften. „DAB+ gehört neben UKW, Online und auch Kabel zu den relevanten Verbreitungswegen, die wir nutzen müssen, um die Nähe zu unseren Hörern weiterhin zu erzeugen und erfolgreich zu sein,“ sagt Thomas Kroemer, Vorsitzender des Verbandes Lokaler Rundfunk in NRW und Vorstandsvorsitzender der Veranstaltergemeinschaft Radio Wuppertal. Die Lokalsender aus dem Münsterland werden später folgen, sobald die LfM DAB-Kapazitäten in dieser Region ausschreiben wird, die bislang noch nicht international koordiniert sind.

Domradio

domradio Logo 2018

Pionier der DAB- und DAB+ Ausstrahlung in NRW ist Domradio. Der Sender des Bildungswerks der Erzdiözese Köln startete im August 2004 in NRW auf DAB, in Hessen sogar noch früher. Im Rahmen des DAB-Pilotprojektes nutze Domradio einen Multiplex gemeinsam mit dem WDR. Am 30. Juni 2020 musste Domradio den Multiplex verlassen, weil der WDR seine Übertragungskapazitäten für sich beanspruchte und für Privatfunk keine landesweiten Kapazitäten von der Medienanstalt NRW zur Verfügung standen. In Berlin und Brandenburg sendete Domradio weiter auf DAB+. In NRW will Domradio auf DAB+ zurückkehren, allerdings nur in die Regionen Bonn, Köln, Aachen und Düsseldorf, Wuppertal und Mönchengladbach. Die Regionen decken die Gebiete des Erzbistums Köln sowie des Bistums Aachen ab.

Stream D

Stream D-Logo

Das Düsseldorfer Internetradio „Stream D“ bewirbt sich um einen Platz in der Region Düsseldorf, Mönchengladbach und Wuppertal und hat auch Fördermittel beantragt. Michael Theine-Dimt startete mit weiteren radiobegeisterten Düsseldorfern ein Programm mit Informationen, Talk über Kultur und Wirtschaft, sowie Musiksendungen. Es richtet sich an Hörer in Düsseldorf, Neuss und Mettmann. 

Radio Gesundheitswelle

+Radio GesundheitswelleMit einem neuen Programm möchte „+Radio Gesundheitswelle“ auf DAB+ und im Internet starten. Geschäftsführin Brigitte Fellmeth bestätigte uns lediglich ihr Interesse an der Ausschreibung der DAB+ – Übertragungskapazitäten und die Unterzeichnung des Letter of Intent eines Netzbetreibers.

MusicStar – Region Rhein-Ruhr (Arbeitstitel)

Radio MusicStar (Bild: MusicStar Rundfunk)

Radio MusicStar aus Essen im Ruhrgebiet ist mit Pop und Rock-Musik in Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz zu empfangen und bereitet den Sendestart auf UKW in Brandenburg an der Havel vor. In NRW bewirbt sich MusicStar für die drei Regionen Köln & Aachen, Essen & Niederrhein und Düsseldorf & Wuppertal. Die hohen Kosten sollen mit den Partnern Stadt. Land. Fluss Hörfunk GmbH (Peli One Radio) und weiteren Investoren gestemmt werden. Der Verein Hörfunkbund aus dem Lippischen Lemgo wird auch mit eingebunden. Die Radiomacher wollen Hörer erreichen, die sonst kein Privatradio (mehr) hören wollen. Das Wortprogramm soll kein Beiwerk sein. Nachrichten sind jeweils zur vollen und Schlagzeilen aus der Region jeweils zur halben Stunde geplant. Pop und Rock-Titel sollen auf der Playlist genauso erscheinen wie Titel aus den Genres R&B, Nu-jazz, Funk, Deep und Soulful House and Chill, verspricht Programmgeschäftsführer Marcus Heinz. Zielgruppe 30+.

Interessensbekundung vs. Bewerbung

Viele Interessensbekundungen möglicher Programmveranstalter sind in den meisten Fällen keine Garantie für viele Bewerbungen. Im November 2018 haben 47 Veranstalter Interesse an DAB+ in NRW bekundet, für die landesweiten Kapazitanz bewarben sich 12 Anbieter mit insgesamt 13 Programmen. Im Mai 2023 gab die Medienanstalt NRW bekannt, dass es Bedarf an 118 Plätzen in sechs Regionen gäbe, in denen nur 96 Plätze zur Verfügung stehen. Für die Region Münsterland konnte kein freier Kanal für einen DAB+ Multiplex gefunden werden, ausgeschrieben wurden fünf Regionen mit 80 Plätzen.

Zu langsam kontra zu schnell

Die Medienanstalt NRW bekundete am 18. März 2019 gegenüber der Staatskanzlei NRW Frequenzbedarf für einen landesweiten Kanal und Übertragungskapazitäten für sechs Regionen. Das Land richtete die Bedarfsanfrage an die Bundesnetzagentur (BnetzA). Damals hieß es, es wäre eine Formsache. Fast fünf Jahre später steht ein Teil der angeforderten Frequenzen nun zur Verfügung. 

WUNSCHRADIO-LogoGuido Bender aus Erkelenz, betreibt das Internetradio „wunschradio.fm“. Er bemängelt die langsame Umsetzung. Bender wollte ein Lokalradio auf den UKW-Frequenzen des früheren Senders Welle West starten. „Die Planungen waren inklusive Sendeanlage abgeschlossen. Von anderen Sendern erfahre ich hinter vorgehaltener Hand, dass dieses Vorgehen typisch ist, um mehr Wettbewerb zu vermeiden.“ 

Der Vorgang dauerte (und dauert) mir zu lange. (Guido Bender)

Ich habe DAB+ als Zwischenlösung gesehen, dessen Zeit schon bei Einführung begann abzulaufen. Nach dem Verlust von acht Jahren ohne Starttermin steigt das technische Verfallsdatum von DAB+ noch schneller, schreibt Bender und beruft sich auf die Studie Perspektiven 2035: Langzeitstudie für Radio und Audio des Verbands Schweizer Privatradios (VSP).

Sein Programm will er weiter über das Internet verbreiten. Chancen habe er damals gesehen, da seine Region bis heute keinen Lokalradio auf UKW mehr hat.

CampusRadios NRW bei DAB+ nicht dabei

CampusRadios NRWFünf Campusradios haben 2023 Interesse an der DAB+ Ausstrahlung beim Call-For-Interest bekundet. „Uns ist kein Campusradio bekannt, dass an dieser Ausschreibung teilnimmt“, schreibt Paul Sattler, Vorsitzender des Vereins „Campusradio NRW“. Dies liegt insbesondere an den langfristig für die Campusradios schwer tragbaren Kosten. Damit folgen die Campusradios der Meinung der Medienanstalt NRW, die die Zukunft der Campusradios langfristig im Internet sieht. Aktuell hat UKW für die meisten Campusradios noch einen sehr hohen Stellenwert. UKW bietet einen leichteren Zugang, was insbesondere für ihre regelmäßig wechselnden Hörer*innen wichtig ist. DAB+ ist allerdings bisher aufgrund der Kosten noch keine Alternative, schreibt Sattler.

Interesse an DAB+ besteht beim Hochschulradio Aachen und Düsseldorf. Andreas Meske, Vorsitzender des Düsseldorfer Trägervereins und Falk Sternagel, Vorstandsvorsitzender des Aachener Hochschulradios schrieben RADIOSZENE, dass ihre Vereine per Letter of Intent bei einem Netzbetreiber Interesse bekundet haben, „sofern dies bezahlbar ist.“  Die Fördermittel würden nach derzeitigem Stand eine wirtschaftliche Verbreitung über DAB+ nur im ersten Jahr möglich machen. Der Aufwand eines Einstiegs in DAB+ scheint uns aber nur bei einem langfristigen Engagement gerechtfertigt, schreibt Meske.

In den meisten Regionen könnten sich mehrere Hochschulradios zusammenschließen und über DAB+ ein Programm anbieten. Diese Idee ist abschlägig von den Campusradios diskutiert worden. „Prinzipiell wäre dies aber sicher eine interessante Idee, an deren Weiterentwicklung wir uns beteiligen würden“, schreibt Meske. Sattler befürchtet einen zu großen „organisatorischen Aufwand“. Die Idee existiert weiter als Plan C oder D. Fraglich ist, ob sich diese noch umsetzen lässt, wenn alle Übertragungskapazitäten vergeben wurden.

Begehrlichkeiten bei UKW

Die Hörfunkprogramme der Hochschulen sind per Gesetz räumlich auf das Gebiet ihrer Einrichtung – den Campus – beschränkt. In Städten mit mehreren Hochschulen oder im Stadtgebiet verstreuten Standorten ist die technische Reichweite der Campusradios höher, was Begehrlichkeiten der Privatsender weckt. Die Zulassung eines Senders und die Zuordnung von Frequenzen sind laut Landesmediengesetz NRW zwei getrennte Vorgänge. Ein Veranstalter kann seine Frequenzen verlieren aber die Zulassung behalten. Das Landesmediengesetz sieht mittlerweile eine Befristung der Zuordnung von Frequenzen auf 15 Jahre vor. Die Änderung erfolgte mit Blick auf eine Weiterentwicklung der Rundfunkübertragen – also wahrscheinlich die UKW-Abschaltung.

Befristet zugeordnet sind die Frequenzen der beiden Hochschulradios Bochum (bis 31.12.2027) und Bonn (bis 31.12.2028). Ihre Zulassung läuft 2025 aus und konnte um weitere 4 Jahre verlängert werden. Im Rahmen der Lizenzverlängerungen wird sich die Medienanstalt NRW mit der Befristung aller Frequenzen befassen – auch der unbefristeten Alt-Zuordnungen. Während Bochum mit dem landesweiten Hörfunkprogramm nrw1 ausreichend versorgt ist, verfügt nrw1 in Bonn über keine Frequenz. Die Medienanstalt NRW sieht die Zukunft der Campusradios im Internet. Da stellt sich die Frage, ob die Campusradios nicht zu zaghaft sich für den Erhalte ihres terrestrischen Verbreitungswegen in den letzten Jahren eingesetzt haben und DAB+ zu wenig im Blick hatten.

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